LOGBUCH LXIV (13. September 2024). Von Martin Thoms
Im Gedenken an Jürgen Moltmann (* 8. April 1926 – † 3. Juni 2024)
Wo ist Gott?
Wo ist Gott? Diese Frage erschallt durch die Menschheitsgeschichte. Wo ist Gott in Zeiten der Flüchtlings-, Klima- und Coronakrise? Wo ist Gott in Zeiten von Krieg und persönlichen Krisen? Wo ist Gott, wenn Kinder im Gazastreifen in die Luft gesprengt werden? Wo ist Gott, wenn in der Ukraine massenhaft unschuldige Menschen sterben? Wo ist Gott, wenn mein Gebet nicht erhört, die Krankheit nicht geheilt wird, das Leben keine gute Wendung nimmt? Ist diese Welt wirklich gottlos? Und wo ist Gott in dieser (scheinbar) gottverlassenen Welt? Wie können wir von Gott sprechen angesichts des Leids und der seufzenden Kreatur?
Leicht fällt es, die sogenannte Theodizeefrage („Warum läßt Gott Leid zu?“) am grünen Tisch zu stellen und Gott in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Die Theodizeefrage ist die Frage, wie es einen guten und allmächtigen Gott geben kann, wenn es doch so unendlich viel Leid auf dieser Welt gibt. Am grünen Tisch findet man – wie die Freunde Hiobs – viele Antworten: „Die Menschen waren es!“ oder noch besser: „Du bist selbst dran schuld!“. Oder wenn man das Böse aus dem Menschen herausverlagert: „Der Satan war es!“. Manch andere sehen in allem einen Sinn: „Gott traut dir das zu, damit du wächst!“ Oder: „Nur durch die Finsternis kannst du das Licht würdigen!“
All diese Antworten verdampfen wie eine Pfütze in der prallen Sonne, wenn man mit konkreten Ereignissen und leidenden Menschen konfrontiert wird. In der deutschen Geschichte ist der Holocaust das Ereignis schlechthin, das an Schrecken und Leid nicht mehr zu übertreffen ist. Was möchte man im Angesicht der massenhaft verbrannten Männer, Frauen und Kinder in Konzentrationslagern wie Auschwitz noch sagen? Wie möchte man Gott im Angesicht dieser Qualen rechtfertigen? Will man wirklich einem Juden sagen, dessen Eltern im Feuer verbrannten „Nur wo Finsternis ist, kann man das Licht würdigen“? Will man Gott „reinwaschen“, indem man alles auf den Satan oder auf den Menschen schiebt?
Wir betrachten Auschwitz, nicht weil es uns primär um Auschwitz geht. Wir schauen uns Auschwitz als historisches Extrembeispiel deshalb an, weil nur die Worte, die wir im Angesicht dieser Hölle noch sprechen können – nicht am grünen Tisch! – tauglich sind, um über Gott im Horizont der Theodizeefrage existenziell zu reden. Was wir hingegen im Angesicht von Auschwitz sagen können, können wir im Angesicht jedes Leidens sagen. Können wir etwas sagen? Wir müssen es, wenn wir jemals wieder von „Gott nach Auschwitz“ (Hans Jonas) sprechen wollen.
Zwei Felsen
Das Leid ist der „Fels des Atheismus“ (Georg Büchner). Das Kreuz hingegen ist der Fels des christlichen Glaubens (1 Kor 1,23). Beide Felsen scheinen einander stillschweigend gegenüberzustehen. Was aber wäre, wenn beide Felsen, der Fels des Atheismus und der Fels des christlichen Glaubens, nur zwei unterschiedliche Spitzen desselben Gebirges wären? Was wäre, wenn das Kreuz die direkte Antwort auf das Leiden wäre und das Leid direkt zum Kreuz führte? Was wäre, wenn auf dem Felsen von Golgatha beide, der Fels des christlichen Glaubens und der Fels des Atheismus zusammenkämen? Das Kreuz würde zur existenziellen Antwort auf die Theodizeefrage werden und in jedem Leiden würde Christus gesehen. Der Weg dorthin beginnt mit einer Betrachtung der jüdischen Schechina-Theologie.
Schechina
In der jüdischen Tradition wird die Idee eines mitleidenden Gottes, der sich erniedrigt und mit seinem Volk mitwandert, durch die Figur der Schechina (von hebräisch „schakhan“ = wohnen) ausgedrückt. Der Alttestamentler Otto Betz definiert: Schechina ist ein „rabbin. Fachbegriff für die ‚Einwohnung Gottes‘, für seine heilsbringende Gegenwart beim Volk Israel“ und „wird oft in Verbindung mit den Offenbarungsweisen Gottes (‚Name‘ oder ‚Herrlichkeit‘) gebraucht“.[1] Der jüdische Philosoph Franz Rosenzweig erläutert: Die Schechina ist also „die Niederlassung Gottes auf den Menschen und sein Wohnen unter ihnen [und] wird vorgestellt als eine Scheidung; die in Gott selbst vorgeht“.[2] Der Alttestamentler Bernd Janowski faßt zusammen: Sie ist „Gottes Verkörperung in der Welt“.[3]
Wann immer man von Gottes Gegenwart oder seiner Herrlichkeit in dieser Welt spricht, ist von der Schechina (Einwohnung) Gottes die Rede. Die Schechina wohnt in Eden. Sie zieht mit Israel aus Ägypten als Wolken- und Feuersäule. Sie erlöst das Volk am Schilfmeer. Sie erscheint Mose im Dornbusch. Sie ruht auf der Bundeslade und findet eine Wohnstätte im Tempel. Nach der Zerstörung des Tempels zieht sie mit dem Volk in die Gefangenschaft.[4]
Gott selbst nimmt also Wohnung unter seinem Volk (Hes 43,7–9 u. a.). Er wandert mit seinem Volk … bis ins Exil (587 v. Chr.). Gott selbst geht in seiner Schechina in die Hölle Babylons. Franz Rosenzweig spricht, unübertrefflich passend, von der „Irrfahrt der Schechina“: „Die Schechina, die Niederlassung Gottes auf den Menschen und sein Wohnen unter ihnen, wird vorgestellt als eine Scheidung; die in Gott selbst vorgeht. Gott selbst scheidet sich von sich; er gibt sich weg an sein Volk, er leidet sein Leiden mit, er zieht mit ihm in das Elend der Fremde, er wandert mit seinen Wanderungen. […] Gott selbst, indem er sich – was wäre denn natürlicher für den ‚Gott unsrer Väter‘! – Israel ‚verkauft‘ und sein Schicksal mitleidet, macht sich erlösungsbedürftig.“[5] Der jüdische Religionshistoriker Gershom Scholem spricht von einem „geheimnisvollen Riß, zwar nicht in der Substanz der Gottheit, aber in ihrem Leben und Wirken“.[6]
Gott ist kein apathischer, neutraler Beobachter des Spektakels auf Erden, der kraft seiner Allmacht gänzlich unberührt bleibt vom Schicksal seines Volkes. Die Schechina-Theologie sagt: Gott ist leidende Liebe. Und weil er Liebe ist, tritt er sich in seinem Pathos selbst gegenüber, indem er sich substanziell an sein Volk bindet und bis in die Hölle mitwandert. Das heißt:
1. Gott ist nicht oben, sondern unten.
2. Gott leidet nicht nur, weil er zusieht und sich hineinversetzt, sondern weil er selbst in seiner Schechina substanziell betroffen ist. Jedes Leiden, das seinem Volk (dieser Welt) zugefügt wird, ist ein direkter Stich in das Herz Gottes.
3. Gott selbst ist es, der in den Opfern nach Erlösung schreit.
4. Eine Erlösung seines Volkes (dieser Welt) ist darum zugleich eine Selbsterlösung Gottes, wie Jürgen Moltmann schreibt.[7] Die Schechina schreit nach Einung mit Gott. Gott selbst ist, solange sein Volk (diese Welt) leidet, wortwörtlich zerrissen!
Die Schechina-Theologie ändert die Blickrichtung radikal. Sie schaut nicht nach oben und fordert eine Rechtfertigung Gottes im Angesicht des Leides, weil sie weiß, daß Gott hier unten ist und selbst nach Erlösung schreit. Ein sehr guter Freund brachte es einmal treffend auf den Punkt: „Die Schechina macht den Unterschied.“ Wie wahr!
Inkarnation
In der Inkarnation Gottes im fleischlichen Menschen Jesus von Nazareth werden die Grenzen der Schechina-Theologie auf das Extremste strapaziert und gesprengt. Ist es nicht genug, daß Gott unter seinem Volk Wohnung nimmt und mit seinem Volk ins Exil wandert? Schon das würde die Grenzen unseres Verstehens und ganz sicher jedes Gottesbildes sprengen. Doch nun wird diese Denkfigur noch gesteigert. Gott wohnt nicht nur ein im Tempel oder unter seinem Volk, sondern er geht vollkommen im Fleisch auf (Joh 1). Er wohnt nicht nur ein, er inkarniert sich. Diese Zuspitzung, ein körperliches Wesen sei die vollkommene Offenbarung Gottes, ist für Juden nicht akzeptabel.[8] Christen meinen es zu akzeptieren. Aber haben sie die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage wirklich verstanden?
Wir erinnern uns an die Worte von Franz Rosenzweig zur Schechina: „Gott selbst scheidet sich von sich; er gibt sich weg an sein Volk …“[9] In genau derselben Sprache kann der Theologe Jürgen Moltmann von der Inkarnation des Logos sprechen: „In der Sendung des Sohnes unterscheidet sich Gott von sich selbst und gibt sich hin.“[10] Diese tiefe Ähnlichkeit von jüdischer Schechina-Theologie und christlicher Inkarnationstheologie läßt Moltmann schließlich sagen: „Ich glaube, daß die Gegenwart Gottes in Christus und im Heiligen Geist nach dem Zeugnis des Neuen Testaments die christliche Schechinah-Theologie ist.“[11]
Die Schechina als Fachterminus für die Selbstmitteilung, die Selbstunterscheidung und das Pathos Gottes erreicht in der Inkarnation in Jesus Christus und in seinem Sterben am Kreuz in ausgesprochener Gottverlassenheit einen neuen Höhepunkt, oder passender: einen neuen Tiefpunkt. In Jesus Christus gibt sich Gott mit seiner Schechina ins äußerste Exil und in die äußerste Gottverlassenheit. Gott wandert in den Tod in Schande am Kreuz und in die Verfluchung (Gal 3,11). Gott wird gottverlassen, bleibt dabei aber dennoch Gott. In den Worten Jesu hört man den Schmerz der Schechina, die nach Einigung schreit: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34) Das ist die absolute Irrfahrt der Schechina am Kreuz.
Gott in Auschwitz
Versteht man das Kreuz Jesu als Offenbarung Gottes, behauptet man eine Offenbarung Gottes an einem Ort, der gottferner und gottverlassener nicht sein könnte. Der Todesschrei Jesu faßt inhaltlich das gesamte Geschehen zusammen: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34) Wir müssen uns wundern und fragen: Ein gottverlassener Mensch soll Gott offenbaren? Mehr noch: Ein gottverlassener Mensch soll Gott so sehr offenbaren, daß er der „Sohn Gottes“ (Mk 15,38) genannt wird? Mehr noch: Ein gottverlassener Mensch soll Gott so sehr offenbaren, daß er Gott selbst sein soll? Mehr noch: Ein gottverlassener Mensch soll die unübertreffliche Offenbarung der Gottheit sein, so daß man sagen kann: „[D]as ist Gott und so ist Gott. Gott ist nicht größer als in dieser Erniedrigung. Gott ist nicht herrlicher als in dieser Hingabe. Gott ist nicht mächtiger als in dieser Ohnmacht. Gott ist nicht göttlicher als in dieser Menschlichkeit.“[12]
Am Kreuz – so die ungeheure Behauptung des christlichen Glaubens – hängt nicht bloß ein Mensch, sondern Gott selbst. Wie sollte man die Gegenwart der leidenden Liebe Gottes, die Idee einer Schechina Gottes, besser, tiefer, grundsätzlicher, allumfassender und universeller ausdrücken als durch die Rede von einem Gott, der am gottverlassenen Kreuz die Frage der Menschheit herausschreit: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“?
Erinnern wir uns an die Schechina und Jesus Christus als Höhepunkt/Tiefpunkt ihrer Irrfahrt, werden wir den Schrei Jesu paraphrasieren dürfen: „Mein Gott, warum hast du dich verlassen?“[13] Das Kreuz muß als ein „Tod in Gott“[14] verstanden werden. Das Wesen der Gottheit steht auf dem Spiel. Gott wird auseinandergerissen. Gott selbst schreit am Kreuz den Schmerz der ganzen Welt heraus. Gott wohnt nicht nur in seiner Schechina unter seinem Volk, er inkarniert sich auch nicht nur völlig in die Welt hinein durch die Menschwerdung in Christus. Am Kreuz steigt Gott so tief hinab, wie es nur überhaupt geht, in das tiefste Elend dieser Welt. Die Tradition ahnt dies, wenn sie von der „Höllenfahrt Christi“ spricht. Das Apostolische Glaubensbekenntnis faßt es in die Worte: „Hinabgestiegen in die Hölle“. Gott steigt hinab, nicht nur auf die Erde, sondern bis in die Hölle. Jedes Leiden wird auf Golgatha zu Gottes Leiden und jeder Tod wird auf Golgatha zu Gottes Tod. Gott kennt nicht nur das Leiden, weil er einmal gelitten hat, sondern er ist der Leidende in allen Leiden der Weltgeschichte.
In der tiefen Entzweiung Gottes, der in der Hölle zum Himmel schreit, umfaßt die Gottheit den Himmel, die Erde und die Hölle. Ist Gott im Himmel, auf der Erde und in der Hölle am Kreuz, so ist er überall. Das Kreuz ist darum die Umarmung Gottes von allem. Dieser Tod in Gott ist die Verkörperung der Tatsache, daß nicht nur alles Wahre, Gute und Schöne, sondern auch alles Vernichtende, Perverse und Höllische in Gott aufgenommen ist. Jürgen Moltmann zieht diese Gedanken bis ins Extreme und versteht „Gott in Auschwitz und Auschwitz in dem gekreuzigten Gott.“[15] Das heißt: Gott ist nirgendwo nicht. Die Höllenfahrt Christi ist die Auflösung der Hölle durch seine Gegenwart.
Darum gilt: „Wer Gottes Gegenwart und Liebe in der Gottverlassenheit des gekreuzigten Sohnes erkennt, der sieht Gott dann in allen Dingen.“[16] Diese Erfahrung machte Moltmann selbst. Er erlebte den Zweiten Weltkrieg mit all seinen Schrecken. In Hamburg wurde er Zeuge der „Operation Gomorrha“, dem bis dahin größten Luftangriff der Alliierten, bei dem 35.000 Menschen ums Leben kamen. Im Angesicht seiner brennenden Kameraden wurde in ihm die existenzielle Frage geboren: „Wo ist Gott?“. Im Gefangenenlager schließlich bekam er von einem „army chaplain“ eine Bibel. Als er das Finale des Markusevangeliums, den Todesschrei Jesu, vernahm „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ wurde der verlassene Christus zum Bruder in seiner Verlassenheit. Da Moltmann vorher kein Christ gewesen war, könnte man also sagen: Moltmanns „Bekehrungsgebet“ war das Einstimmen in die Worte Jesu: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“[17]
Die existenzielle Antwort auf die Theodizeefrage
Damit aber sind wir schon lange an den Grenzen des Verstehbaren angelangt. Nur innerhalb einer Spiritualität des Kreuzes, einer Kreuzesspiritualität, die die Klage zum wesentlichen Ausdruck einer Frömmigkeit in dieser leidenden Welt erhebt, kann die Ungeheuerlichkeit eines leidenden Gottes, der bis in Hölle nach Ausschwitz geht, erlebbar und tröstend werden.
Im verzweifelten Stellen der Theodizeefrage erhält der Klagende die einzige Antwort, die wirklich helfen kann. Denn die Antwort auf die Frage: „Warum lässt Gott Leid zu?“ ist die Gegenwart Gottes im Leid. Die Antwort auf die Theodizeefrage ist also eine neue Frage, und zwar die Frage Christi: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Seine Gottverlassenheit ist seine Gegenwart im Leidenden. Damit lautet die Antwort auf die Frage: „Wo ist Gott?“ folgendermaßen: Gott ist in dieser Frage. Er ist dieser Schrei, der aus deinem Schmerz geboren ist. Hörst du seinen Schrei nicht in deinem Schrei? Dein Schrei ist sein Schrei. Oder in den Worten Jürgen Moltmanns: „Wo der Schrei der Tiefe zu hören ist, da ist auch der Geist präsent […]. Man kann sogar sagen: Der Schrei nach dem Beistand des Geistes ist selbst schon ein Schrei des Geistes. […] Der Schrei nach Gott ist selbst göttlich.“[18] Oder in meinen Worten: Der Schrei nach Gott ist der Schrei Gottes.
Mit dem gekreuzigten Gott zusammen kann der Klagende fragen: „Mein Gott, warum hast du uns verlassen?“ Gott ist also nicht primär der Adressat dieser Frage, sondern er ist der Fragesteller. Gott ist nicht primär derjenige, der das Leid rechtfertigt, sondern derjenige, der es erfährt. Gott steht auf der Seite der Opfer gegen Gott.
Klagen bedeutet demnach Einssein mit Gott. Klagen bedeutet, dem gekreuzigten und gottverlassenen Gott in seiner Klage nachzufolgen. Ein Gott am Kreuz will nicht angebetet werden. Er will mir im wirklichen Leben, getränkt von Selbstentfremdung, Enttäuschung und Schmerz, nahekommen. Die kritische Frage „Was bringt’s mir, wenn Gott mitleidet?“ können nur diejenigen stellen, die noch nicht erleben durften, wie sich durch das Mitleiden Gottes wirklich alles ändert. Manche Dinge kann man nur mit dem Herzen verstehen, wie schon der kleine Prinz wußte. Oder mit Dietrich Bonhoeffer gesprochen: „Nur der leidende Gott kann helfen.“[19] So wurde gerade der leidende Christus zur Ikone der Befreiungstheologie.
Wo also ist Gott? Er ist da. Das ist sein Name: JHWH – „Ich bin da“ (Ex 3,14). Ist das Kreuz die Universalisierung der göttlichen Gegenwart bis in die unterste Hölle, ist es damit zugleich die Offenbarung Gottes als JHWH, als der in allen und allem Daseiende. Als ich dies einer jungen Konfirmandin sagte, die von der Frage nach Gott und dem Leid gequält wurde, flüsterte sie: „Wenn das so ist, dann ist wirklich alles anders. Dann ist ER ja bei mir.“
[1] Otto Betz: Schekhina, in: Helmut Burkhardt / Uwe Swarat u. a.: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. Haan 1992, 1759 f.
[2] Franz Rosenzweig: Der Stern der Erlösung. Freiburg i. Br. 2002, 455.
[3] Bernd Janowski: Eine religions- und theologiegeschichtliche Skizze, in: ders. / Enno Edzard Popkes: Das Geheimnis der Gegenwart Gottes. Zur Schechina-Vorstellung im Judentum und Christentum. Tübingen 2014, 4.
[4] Jürgen Moltmann: Das Kommen Gottes. Christliche Eschatologie. Gütersloh 2016, 335.
[5] Rosenzweig: Stern der Erlösung, 455 f.
[6] Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. 13. Aufl. Berlin 2020, 253.
[7] Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie. Gütersloh 2016, 262.
[8] Janowski: a. a. O., 24.
[9] Rosenzweig: Stern der Erlösung, 455 f.
[10] Jürgen Moltmann: Trinität und Reich Gottes. Zur Gotteslehre. Gütersloh 2016, 91.
[11] Jürgen Moltmann: Weiter Raum. Eine Lebensgeschichte. Gütersloh 2006, 107.
[12] Moltmann: Der gekreuzigte Gott, 190.
[13] Ebd., 144.
[14] Ebd., 192.
[15] Ebd., 266 f.
[16] Moltmann: Trinität und Reich Gottes, 98.
[17] Vgl. Moltmann: Weiter Raum, 29–41.
[18] Jürgen Moltmann: Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche Pneumatologie. Gütersloh 2016, 89.
[19] Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung. München 1951, 242.
Martin Thoms (* 1999) hat Theologie in Braunschweig und Reutlingen studiert. Zu seinen Lehrern gehört Jürgen Moltmann, mit dem er bis zu dessen Tod im Austausch war. Das Buch Der gottverlassene Gott von Martin Thoms ist letztes Jahr mit einem Vorwort von Moltmann im LIT-Verlag erschienen.
Abbildung: Maria sinkt ohnmächtig in die Arme des Apostels Johannes, ein Detail aus der Kreuzigungsszene des Isenheimer Altars (1512 bis 1516 geschaffen von Matthias Grünewald)
Die Willensfrage von gut und böse
Der Beitrag ist spannend. Gerade der Hintergrund von Moltmann und seine Bekehrungserfahrung. Es fehlt jedoch etwas der voluntaristische Akt. Gott hasst das Böse, auch wenn er es trägt. Dass Gott die Sünde in sich aufnimmt, heißt nicht, dass er die Perversionen und Irrungen des Menschen akzeptiert. Er vergibt, aber dann, wenn man bei all seiner Bosheit lieben möchte. Das könnte klarer sein. Aber ein sehr guter Beitrag.